Effner-Lyrikwettbewerb

„Lyrik am Effner 2022“

Der siebte Band der Anthologie mit 33 von uns ausgewählten Gedichten von Schüler*innen ist erschienen.

„Schlechte Zeit für Lyrik“ – so überschrieb Bertolt Brecht eines seiner bekanntesten Gedichte und erklärte darin, warum es für ihn keine Option sei, über die schönen Dinge des Lebens zu schreiben. Die Zeit – Brecht befand sich 1939 im Exil – war bestimmt von Krieg und negativen Ereignissen, die keinen Raum ließen für unpolitische Inhalte, dennoch wählte der Autor die Form eines Gedichtes für seine politische Botschaft.
Was würde ein Lyrikwettbewerb im Schuljahr 2021/22 für Texte hervorbringen? Ist unsere Zeit, die von einer steigenden Anzahl an negativen Nachrichten geprägt ist, noch geeignet, Gedichte, also ästhetische Texte zu verfassen? Gibt es überhaupt noch eine Motivation, sich in Dichtung auszudrücken?
Die Schüler*innen des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau gaben auf diese Frage eine eindeutige Antwort: Sie ließen sich wie Bertolt Brecht von diesen erneut „schlechten Zeiten für Lyrik“ nicht abhalten, Gedichte zu verfassen und sie nutzten unterschiedlichste Formen, um ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Wut, Anklage, Aufruf zum Handeln prägen daher die Werke der jungen Menschen genauso wie Trost, Hoffnung, Humor, Zusammenhalt, Konzentration auf die dennoch vorhandenen Schönheiten und spiegeln somit eine Zeit der Sorgen und Ängste, aber auch des Aufbruchs und Zusammenhaltes wider.
Die entstandene Zusammenschau zeigt, dass die jungen Menschen die immensen Herausforderungen unserer Zeit mit viel Energie und Aufbruchswillen annehmen und sie hoffentlich auch bewältigen können.

Insgesamt reichten bis Mitte Februar mehr als 120 Schüler*innen ihre Gedichte bei der Jury (bestehend aus den Deutschlehrerinnen Frau Notz und Frau Klumpp) ein. Dabei waren 5 Themenkreise vorgegeben, welche die Schüler*innen zur eigenen Ideenfindung anregen sollten:

1. Ich – Du – Wir,
2. Heiteres & Bedenkenswertes,
3. Unsere Erde?,
4. Reale und virtuelle Welt(en) und
5. Lauschen – Schauen – Staunen.

Viele außergewöhnliche und anspruchsvolle lyrische Texte durften wir lesen, sodass uns die Wahl der Sieger-Gedichte in den Jahrgangsstufen 5 bis 12 und weiterer Werke für die Anthologie keineswegs leichtfiel. Letztendlich wurden 33 Gedichte in den siebten Band „Lyrik am Effner“ aufgenommen. Illustriert wird die Sammlung durch künstlerische Arbeiten von Schüler*innen aus den Jahrgangstufen 6 bis 11 zu den Themen „Erweiterte Raumdarstellung“, „Metamorphose“, „Starke Mimik“, „Berühmte Bilder heute“ und „Visuelle Kommunikation“. Der Gedichtband ist in geringer Zahl für 3,00 € an der Schule erhältlich. Später kann er für 4,95 € über den Online-Handel, z. B. den Rediroma-Verlag, bezogen werden.
Alle bisher erschienen Bände stehen in der Stadtbücherei Dachau zur Ausleihe bereit. Auch dieses Jahr fand zum „Welttag der Poesie“ am 21. März 2022 eine Kooperation zwischen der Stadtbücherei Dachau unter der Leitung von Frau Dr. Rude-Porubská und unserem Projekt „Lyrik am Effner“ statt. Auf die Besucher*innen der Bücherei wartete vom 21. bis 31. März ein Präsentkorb, gefüllt mit Gedichten, die zur Mitnahme bestimmt waren. Diese wurden von jungen Dichter*innen unserer Schule verfasst und aus der letztjährigen Anthologie ausgewählt. Auf diesem Weg konnte eine breite Öffentlichkeit die lyrischen Werke unserer Nachwuchstalente kennenlernen, welche eine große, positive Resonanz erfuhren. Dafür bedanken wir uns herzlich.

Nachdem in den letzten beiden Jahren eine Preisverleihung im Rahmen einer Abendveranstaltung nicht möglich war, konnten wir heuer die Sieger*innen des Lyrik-Wettbewerbs aus den Jahrgangsstufen 5 bis 12 wieder gebührend würdigen. Die Feier fand am 29. Juni um 19.00 Uhr in der Schule statt. Dabei bekamen auch die Preisträger*innen des letzten Jahres die Gelegenheit, ihre Gedichte vorzutragen. Wir gratulieren allen Preisträgern*innen des diesjährigen Wettbewerbs:

  • Abraar Al-Tashi (5. Klasse) „Der Freiheit lauschen“,
  • Yongfeng Xue (6. Klasse) „Einfach nur in Frieden leben“,
  • Tuana Yanik (7. Klasse) „Mein wahres Ich“,
  • Elisabeth Eberle (8. Klasse) „Überleben“,
  • Marlene Vigl (9. Klasse) „Orangen am Nordpol?“,
  • Anna Eberle (10. Klasse) „?Ich – Du!“,
  • Julia Flaxl und Paula Blankenhagen (11. Klasse) „Sanfte Täler“,
  • Annika Liebert (12. Klasse) „Schneeflockengedanken“.

Auch dieser Abend wurde durch musikalische Beiträge von Schüler*innen begleitet. Diana König (7. Klasse) ließ zu den lyrischen Tönen ihre Harfe erklingen, Melanie Kattermann (10. Klasse) an der Geige und Taras Schreyer (12. Klasse) am Flügel untermalten die Gedichte mit klassischen Liedern. Zusätzlich bestand die Möglichkeit, die Zeichnungen der Schüler*innen, welche die Anthologie illustrieren, im Original zu betrachten.

Die Sieger*innen freuten sich über Schreibutensilien für ihr dichterisches Handwerk sowie Buchgutscheine, Gutscheine für Besuche ins Theater, Kino oder Konzert und eine Jahresmitgliedschaft in der Stadtbücherei Dachau. Darüber hinaus erhielten alle Dichter*innen der Anthologie einen Buchpreis und den siebten Band „Lyrik am Effner“.

Ein besonderer Dank geht an die Spender der zahlreichen Preise:
Amt für Kultur, Tourismus und Zeitgeschichte Dachau / Stadtbücherei Dachau,
Buchhandlung Blätterwerk Karlsfeld,
Buchhandlung Subtext Dachau,
Bürobedarf Kölbl Dachau,
Cinema Dachau,
dtv Verlagsgesellschaft,
Kleinkunstbühne Leierkasten der evangelischen Friedenskirche Dachau / Verein Theatertage e. V. Dachau,
Kulturschranne Dachau,
LOEWE Verlag GmbH,
Rediroma-Verlag und
Verlagsgruppe Droemer Knaur.

Selbstverständlich danken wir allen teilnehmenden Schüler*innen, die durch ihr Engagement zum Erfolg des Lyrikwettbewerbs beitragen, und wir hoffen in der nächsten Runde wieder auf eine rege Beteiligung. Nicht zu vergessen ist die Unterstützung von Herrn Amelang, Frau Meyer und Herrn Winheim (Fachbereich Kunst) beim Gestalten der Anthologie, ihre großzügige Budgetierung durch Herrn Direktor Mareis und den Fachbereich Deutsch sowie das Mitwirken von Frau Forstner (Fachbereich Musik), Herrn Buchner (Technikteam), Herrn Matzke und Herrn Puschner (Haustechnik) an der Preisverleihung zum Lyrik-Wettbewerb.

 

Nachfolgend sind auszugsweise Gedichte der Preisträger*innen zu lesen:

Mein wahres Ich

Jeder will beliebt sein,
das Neueste besitzen,
das beste Design,
im Trend sein bis in die Fingerspitzen.

Man ist habgierig,
will mehr als gut,
doch das ist schwierig,
denn am Ende
ist man trotzdem nie genug.

Man will dazugehören,
und verstellt sich.
Doch man sollte auf sein Inneres hören,
sich fragen:
Ist das gut für mich?

Doch die größte Frage ist jetzt:
Wer bin eigentlich ich?
Ist das nicht alles aufgesetzt?
Ist das wirklich mein wahres Ich?

Tuana Yanik, 7. Klasse

 

Orangen am Nordpol?
Für ein Kind, geboren 2047

Orangen am Nordpol
Plastik im Pazifik
Eisbären längst Geschichte
Fiebrige Wälder
Nie einen Schneemann gebaut
Wasser knapp
Letzter Hilferuf erklungen
Venedig Geisterstadt

Angst,
dir Erklärungen geben zu müssen
über eine Welt, die schwindet.
Ich will, dass du weißt,
ich habe es versucht,
habe Schilder gehalten,
bin mit dem Zug gefahren,
habe Müll getrennt.

Alle reden von Klimaschutz,
doch in Wirklichkeit schützen wir uns.
Der Natur macht der Klimawandel nichts,
sie war schon immer wandelbar.
Sind wir es auch?

Marlene Vigl, 9. Klasse

 

Schneeflockengedanken

Der Schnee kam vier Wochen zu spät.
Vier Wochen nach Weihnachten malt er Sterne auf die Böden,
tiefgefroren wie meine Gehirnzellen.

Der Schnee kam vier Wochen zu spät.
Kälte glitzert in der flockenverwehten Nachtluft,
der Mond schreit mir Matheformeln zu.

Der Schnee kam vier Wochen zu spät.
Die Vögel vor meinem Fenster stopfen sich mit
halbgefrorenem Vogelfutter voll,
und ich mich mit Abituraufgaben.

Der Schnee kommt nie rechtzeitig.
Abgabetermine, Einsendeschlüsse, Bewerbungsfristen
kommen immer zu früh.
Komm, wir gehen Schneemänner bauen.

Annika Liebert, 12. Klasse

 

Das Lyrikteam – Martina Notz und Rita Klumpp


Zuletzt überarbeitet am 31.08.2022