Ein Gedicht aufsagen, auswendig lernen oder interpretieren – beinahe jeder Mensch kommt innerhalb seines Schullebens mindestens in den Genuss einer dieser Aufgaben. Aber ein Gedicht schreiben? Wo lernt man das? Heute gibt es für weniger Schreibfreudige bzw. Begabte eine einfache Lösung: Künstliche Intelligenzen. ChatGPT und Co. machen’s möglich, Dichter und Autorin kann inzwischen scheinbar jeder sein. Was dabei herauskommt: ein durchschnittliches Gedicht, das von dem eines belebten Autors kaum zu unterscheiden ist. Aber worin liegen dann eigentlich noch das Alleinstellungsmerkmal, die Besonderheit, nein der Wert menschlicher Lyrik?
Das dreiköpfige Organisations- und Juryteam des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau meint dazu in der Anmoderation des diesjährigen Lyrikwettbewerbs: Lyrik ist menschliche Emotion in Wortform. Für Lyrik braucht es Gefühl, Lyrik bedeutet mindestens ein Stück Selbstoffenbarung. Und darin unterscheidet sie sich grundlegend von den algorithmisch neukombinierten Worthaufen einer künstlichen Intelligenz ohne Selbst-Bewusstsein und emotionale Fähigkeiten.
Am 21.6.23 stellte das Josef-Effner-Gymnasium auf der siebten Lyrikwettbewerb-Preisverleihung daher wieder bewusst das menschliche Wort von 17 Schüler:innen in den Fokus. Die acht Jahrgangsstufensieger:innen wurden nach ihrem Auftritt von den Moderatorinnen Martina Notz, Rita Klumpp und Jessica Beurer für ihre poetischen Texte ausgezeichnet:
- Lena Wernthaler für ihren humorvollen Text über den Schulkater Rudi (Klasse 5)
- Jonathan Zöls, der sich mit der Frage nach menschlicher Verantwortung befasste (Klasse 6)
- Josef Vigl für seinen bunten Blick auf das alltägliche Leben eines Schülers (Klasse 7)
- Marlon Lenhardt, der zu dem Schluss kommt, dass der Mensch ein sonderbares Wesen ist (Klasse 8)
- Helene Eilbacher mit ihrem Text über Gleich- und Anderssein (Klasse 9)
- Marlene Vigl für ihre Demaskierung existenzieller menschlicher Täuschungen (Klasse 10)
- Emilia Ernst, die sich an weltpolitische Konflikte heranwagte (Q 11) und schließlich
- Paula Blankenhagen (Q12), die passend zum Schulabschluss ein Gedicht über das Gefühl des Schwebens verfasste.
Daneben trugen neun weitere Verfasser:innen ihre nicht weniger ergreifenden, lustigen, tiefsinnigen und kreativen Texte den rund 130 Gästen vor. Diese, darunter Familien, Freunde sowie Lehrkräfte der Künstler:innen, durften sich neben den Gedichtvorträgen über ein buntes Rahmenprogramm freuen. Samuel Hauger aus der 6. Klasse sowie Taras Schreyer (Q12) und Melanie Kattermann (Q11) unterhielten mit musikalischen Einlagen an Klavier und Geige; die diesjährigen Abiturientinnen Hanna Ivanfi, Paula Blankenhagen und Anouk Edinger eröffneten die Veranstaltung mit einer bewegten Gedichtinterpretation, einem lyrical dance, zum Popsong „Achilles come down“. Während der Pause konnten sich die Gäste zudem die Originale der in der Anthologie abgebildeten Kunstwerke ansehen und auch für das leibliche Wohl war durch Schüler:innen der Oberstufe gesorgt.
Im Zentrum des Abends standen jedoch eindeutig die insgesamt 36 jungen Dichter:innen: Aus rund 290 Teilnehmenden schafften sie es, die Jury mit ihren Beiträgen zu überzeugen und sich damit in der diesjährigen Anthologie zu verewigen. Diese beinhaltet heuer die folgenden fünf Themenkreise: „effner…bunt“, „Mensch!“, „Im Spiegel“, „warten/wirken/wandeln“ und „bodenlos-himmelweit“. Der Kreativität waren im Wettbewerb keine Grenzen gesetzt, schließlich geht es um die Freude am Kombinieren von Worten, das Spiel mit Sprache und rhythmischen Elementen. Alle Ausgewählten erhielten eine Ausgabe des neuen Gedichtbands sowie Buchpreise, die durch Verlagsspenden zustande kamen. Die Jahrgangsstufensieger:innen durften sich darüber hinaus über zahlreiche Preise freuen, die dank großzügiger Spenden zustande kamen: Neben Karten für die Dachauer Theatertage bzw. die Kleinkunstbühne Leierkasten gab es Schreibwerkzeug, Kino- und Büchergutscheine, Eintrittskarten fürs Dachauer Barock-Picknick und eine Jahresmitgliedschaft in der Dachauer Stadtbücherei.
Am Ende des etwa zweistündigen Abends steht eines ganz sicher fest: Egal, ob Valentin Wernthaler über seine Gedanken beim Legobauen spricht, seine Schwester Lena von der Katze auf Herrn Mareis‘ Schoß erzählt oder Mia Gross den Wind in ihren Haaren förmlich spürbar macht – mit den zutiefst menschlichen Erfahrungen und Emotionen von Menschen, die live vor Zuhörenden stehen, kann zum Glück keine künstliche Intelligenz der Welt konkurrieren.
Jessica Beurer, Martina Notz und Rita Klumpp vom Team Lyrikwettbewerb